Elektronische "Mikronase" für flüchtige organische Verbindungen

Verbundprojekt von ETH Zürich (Prof. H. Baltes), Universität Tübingen (Prof. W. Göpel), und Università di Bologna (Prof. M. Rudan).

Ein "Taschenrechner mit Geruchssinn" zur Erfassung von Gerüchen oder Luftqualität ist die Vision dieses Projekts. Ein solches Miniaturgerät warnt seinen Besitzer vor gesundheitsschädlichen oder gar explosiven Luftbestandteilen.

Es gibt bereits Grossgeräte, die Gerüche und Aromen identifizieren. Diese enthalten verschiedenartige chemische Sensoren mit elektronischer Signalverarbeitung, Computer und Software. Aus Reaktionen der Sensoren auf gasförmige Proben wird ein "Fingerabdruck" des Geruchs ermittelt. Ein Beispiel ist das von Lennartz Electronic, MOTECH und Prof. Göpels Labor entwickelte modulare System MOSES II.

Die Integration von Mikrosensoren und Schaltungen auf einem Silizium-Chip ermöglicht heute die Miniaturisierung kostengünstiger Sensoren für physikalische Grössen: Druck, Beschleunigung, Wind, Infrarotstrahlung etc. Ein Beispiel ist der Infrarot-Intrusionsmelder CEMSYST aus der Zusammenarbeit von Cerberus, EM Microelectronic Marin und Prof. Baltes' Labor. Die Computersimulation dieser Sensoren ist hochentwickelt, z. B. an der Università di Bologna und an der ETH Zürich.

Im Projekt "Mikronase" werden Silizium-Sensor-Chips mit chemisch empfindlichen Materialien zu miniaturisierten Multisensoren für Gerüche und Aromen kombiniert. Als Teil dieses Projekts wurden kürzlich Chips demonstriert, die mikroelektrische Kondensatoren und mikromechanische schwingende Balken enthalten. Kondensatoren und Balken sind mit bestimmten Polymeren beschichtet. Die Polymere absorbieren gezielt organische Moleküle aus der Luft. Die Absorption ändert die dielektrischen Eigenschaften des Polymers und damit die Kapazität des Kondensators. Zugleich erhöht sie die Masse der Polymerschicht und senkt damit die Resonanzfrequenz des schwingenden Balkens. Die Änderungen von Kapazität und Resonanzfrequenz werden in digitale elektrische Signale umgesetzt. Die Schaltungen dazu sind auf demselben Chip integriert.

Die zukünftige "Mikronase" enthält verschieden Sensortypen. Von jedem Typ sind mehreren Exemplare vorhanden. Jedes Exemplar hat eine andere empfindliche Schicht. Damit sollen Kohlenwasserstoffe in Raffinerien, Verdunstungsprodukte aus Plastik und Textilien, Lösungsmittel in Reinigungsmaschinen oder Fermentationsprodukte der Lebensmittelherstellung nachgewiesen werden. Gerüche und Luftqualität am Arbeitsplatz, im Konferenzzimmer, im Auto, in der Wohnung oder im Freien sollen erfasst werden. Selektivität der Absorptionsschicht wird z. B. durch "Käfigmoleküle" erreicht: zu diesen passen die zu erfassenden Moleküle wie ein Schlüssel ins Schloss, und sie werden festgehalten wie in einem Käfig.

Prof. Baltes ist verantwortlich für Entwurf und Fabrikation der Sensor-Chips mit Beschaltung und für deren Montage und Gehäusung. Probenaufnahme durch Filter, Deposition und Optimierung von Materialien für selektive Absorption sowie Algorithmen für Mustererkennung und Kalibrierung werden von Prof. Göpel betreut. Professor Rudan optimiert Mikrosensoren mit absorbierender Schicht durch numerische Simulation und setzt Mustererkennungsalgorithmen in digitale Prozessoren um. Kalibrierung und Labortests finden in Tübingen und Zürich statt, Feldtests bei Anwenderfirmen.